Osterhoffnung
Vorsichtig öffnet er die Türe zum Krankenzimmer.
Es ist bereits Abend und der Raum ist abgedunkelt.
Bevor er das Krankenbett erreicht hat, fällt ihm die Stille auf. Nichts zu hören vom Piepsen des Überwachungsgerätes, das ihn die Tage zuvor bereits an der Türe begrüßt hatte.
Dort im Bett vor ihm liegt seine Mutter. Sie war verlegt worden, liegt nun alleine und schläft.
Das Atmen fällt ihr schwer. Er hört das schwache Zischen der Sauerstoffmaske. Flach und unregelmäßig geht ihr Atem. Er stellt sich neben Sie, nimmt ihre Hand und legt sie in die seine.
Die Hand ist kalt.
So nimmt er seine andere Hand hinzu und hält ihre Hand nun in beiden Händen.
Wie gewohnt sucht sein Blick den Überwachungsmonitor. Es ist keiner mehr hier.
Er schaut auf seine Mutter und erinnert sich an die letzten Tage.
Vor drei Tagen war die Magensonde entfernt worden.
„Ich habe genug! Ich will das nicht mehr“ hatte sie der Schwester gesagt, die die Sonde eigentlich nur wechseln wollte.
Vorgestern kam nun die Ärztin auf ihn zu: „Liegt eine Patientenverfügung vor?“ hatte sie gefragt. - Lebenserhaltende Maßnahmen hatte Mutter abgelehnt.
„Der Sauerstoffaustausch in den Lungen funktioniert nicht mehr. Wir hatten Medikamente gegeben, die sie stabilisieren sollte. Leider ohne Erfolg. Die Nieren beginnen zu versagen. Wir haben alles versucht – es tut mir leid“.
Gefasst nahm er die Nachricht auf, die er so ähnlich schon erwartet hatte.
Am nächsten Tag war er wieder im Krankenhaus. Wie immer war seine Frau bei ihm. Mutter lag auf der Seite.
„Versuchen sie sie aufzuwecken“, hatte die Schwester gemeint.
Lange blieben die Versuche vergeblich.
Letztlich antwortete sie auf die ständige Ansprache. „Sieh wer hier ist, dein Sohn …“
„Wirklich? Das freut mich aber …“ antwortete sie mit geschlossenen Augen.
„Magst du nicht deine Augen aufmachen. Schau doch wer hier ist“.
Vergeblich - sie hatte hierzu keine Kraft mehr.
Stattdessen fragte Sie: „ist euer Bübchen auch hier; geht es ihm gut?“
„Ja“, entgegnete er „es geht ihm gut“. Er schaute seine Frau traurig an. Mutter war in Gedanken wieder in der Vergangenheit, denn ihr „Bübchen war bereit 26 Jahre alt.
„Luzi ruft nach mir!“ platzte seine Mutter plötzlich heraus.
„Nein Mutter, Luzi ist nicht hier.“
Luzi war ihre Schwester und bereits vor Jahren gestorben.
Sie redete weiter. Leider wurden die Worte immer undeutlicher, so dass er ihr nicht mehr folgen konnte. Sie hielt ihre Augen immer noch geschlossen, als sie unvermittelt plötzlich wieder völlig klar zu verstehen war: „Vielen Dank für euren Besuch, kommt gut nach Hause. Es hat mich sehr gefreut …“
Die beiden blieben noch eine Weile bei ihr, während Mutter weiter unverständlich vor sich hinmurmelte.
Sie zogen ihre Jacken an und wandten sich ihr nochmals zu, um sich zu verabschieden. Beim Hinausgehen hörten Sie nochmals freudig die Mutter sprechen: „Luzi ruft mich!“
Nun, am nächsten Tag, liegt sie da. Alle spüren: Das Ende ist nahe. Seine Schwester und sein Bruder sich auch gekommen. Erinnerungen werden unter den Geschwistern ausgetauscht, während sie sanft ihre Hand halten. „Sie hat gestern gesagt, dass Luzi sie gerufen hätte“ erzählt er, „sie war voller Hoffnung und Freude“. Bevor sie gehen betet er nochmals für seine Mutter: „Himmlischer Vater, wenn ihre Zeit gekommen ist, nimm sie sanft bei dir auf und bitte: erfülle ihre Hoffnung“.
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Diese Hoffnung ist es, die wir an Ostern feiern. Diese Hoffnung, die uns Gott durch Tod und Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus geschenkt hat.
Ich wünsche Ihnen, dass diese österliche Hoffnung ihr ständiger Begleiter sei und damit auch Ihnen ein göttlich-mütterlicher Trost werden kann.
Ihr Prädikant Klaus Bendel